1.Weizen als Grundnahrungsmittel
Weizen ist nach Mais das zweithäufigste angebaute Getreide weltweit. Während Mais nur selten Unverträglichkeiten verursacht, gehört Weizen zu den Hauptauslösern – auch schon im Kindesalter. Für Betroffene bedeutet dies eine große Umstellung im Speiseplan, da Weizen in unserer Kultur zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln zählt.
2. Was macht Weizen so komplex?
Die Proteine im Getreide lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen: Albumine, Globuline und Glutene.
- Albumine und Globuline finden sich in der Randschicht des Korns.
- Glutene befinden sich im Mehlkörper, also im Inneren des Korns.
Das Gluten selbst – besser bekannt als Klebereiweiß – setzt sich aus Gliadinen und Gluteninen zusammen. Es kommt in vielen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Kamut, Triticale, Roggen, Gerste und Hafer vor. Dabei unterscheidet sich die Zusammensetzung von Sorte zu Sorte.
3. Prolamine und ihre Wirkung auf den Darm
Bestimmte Getreideeiweiße, die sogenannten Prolamine, können die Darmbarriere schwächen, indem sie die „tight junctions“ – die Zellverbindungen in der Darmschleimhaut – öffnen.
Beispiele:
- Gliadin in Weizen, Dinkel, Emmer, Kamut, Einkorn und Grünkern
- Secalin in Roggen (weizenähnlich)
- Hordein in Gerste
- Avenin in Hafer (geringe Ähnlichkeit, aber Kontaminationsrisiko)
- Zein in Mais (ohne Gliadin, aber teils immunogen)
- Orzyn in Reis und Kafirin in Hirse
Prolamine sind für unseren Körper schwer vollständig abbaubar. Dabei entstehen Glucopeptide, zu denen auch das sogenannte Gliadinomorphin gehört.
4. Exorphine – wenn Gluten mehr macht als satt
Während der Verdauung können aus Gluten bioaktive Peptide entstehen, sogenannte Exorphine (z. B. Gliadorphin). Diese binden an Opioidrezeptoren im Körper und können:
- Verhalten beeinflussen
- Heißhunger auslösen
- die körpereigene Morphinproduktion stimulieren
Erhöhte Spiegel solcher Peptide wurden im Urin von Patienten mit Schizophrenie, Depression, Autismus und ADHS nachgewiesen.
5. Krankheitsbilder mit möglichem Glutenbezug
Gluten und verwandte Stoffe werden mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung gebracht:
- Autoimmunerkrankungen
- Zöliakie, Morbus Bechterew, Rheumatoide Arthritis, Psoriasis, Multiple Sklerose, Lupus erythematodes, Typ-1-Diabetes u. a.
- Krebsformen
- Erkrankungen des Nervensystems
- Polyneuropathie, Schizophrenie, Depression, Autismus, ADHS
- Sonstige Erkrankungen
- Typ-2-Diabetes, Schwangerschaftsdiabetes, Leberzirrhose, Bluthochdruck, Asthma, atopische Dermatitis, Schlafapnoe, chronische Urtikaria und mehr
6. Weitere „Öffner“ der Darmschleimhaut
Neben den Prolaminen gibt es noch weitere Substanzen, die die Darmbarriere beeinträchtigen können:
- Saponine
- Namensgeber ist das Wort „Seife“ – sie wirken schäumend, antimikrobiell und insektizid.
- Kommen vor allem in Soja (Bohnen, Milch, Tofu, Tempeh), Proteinpulvern, Kartoffeln, grünen Tomaten, Auberginen, Linsen, Alfalfasprossen und Quinoa vor.
- Bei Säugetieren können sie die Darmwand schädigen.
- Lectine
- Pflanzeneigene Schutzstoffe, die in allen Pflanzen vorkommen.
- Viele sind nützlich, doch die in Hülsenfrüchten und Getreide können die Darmbarriere zerstören und Entzündungen fördern.
Literatur
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